Es ist längst eine lieb gewonnene Tradition - das Grillfest mit Schnupperrudern beim RC Nassovia Höchst. Zum zehnten Mal war der Verein Frankfurter Sportpresse Ende September zu Gast in der Mainzer Landstraße, wo zahlreiche Hessen- und deutsche Meister das Einmaleins des Ruderns lernten. Und ein aktueller U23-Weltmeister im Einer: Jonas Gelsen, der im Juli in Varese (Italien) seinen bislang größten Erfolg feierte. Das 21 Jahre alte Aushängeschild des Vereins gab bei tollem spätsommerlichem Wetter abermals Einblicke in seinen herausfordernden Alltag, in dem ihn nicht nur das Training als Leistungssportler, sondern auch sein Informatikstudium fordert. Trainieren in Offenbach, wohnen in Höchst, studieren in Darmstadt: Wie ist das zu schaffen? „Ich bin nicht ganz in der Regelstudienzeit“, gab Gelsen zu. „Corona hat mir sicher ein bisschen geholfen, weil mittlerweile viele Vorlesungen online stattfinden und ich nicht immer nach Darmstadt fahren muss.“ Natürlich wollte die versammelte Journalistenschar wissen, welche Ziele Gelsen nach seinem WM-Coup verfolgt. Olympia 2024 hat er im Visier – und die A-Nationalmannschaft um Welt- und Europameister Oliver Zeidler. „Ihn will ich schlagen“, gab sich Gelsen selbstbewusst. „Und in der A-Nationalmannschaft will ich richtig angreifen.“
Ohne Ambitionen stiegen die Teilnehmer des Schnupperruderns ins Boot. Oder doch nicht? Zumindest sah es gar nicht so schlecht aus, wie die in zwei Boote aufgeteilten Journalisten im Gleichklang über den Main glitten. Zumindest für kurze, vielleicht auch sehr kurze Zeit. Dazwischen hatte mancher Probleme dabei, sich am Riemen zu reißen – so auch der Autor dieser Zeilen. Und das, obwohl gar nicht mit Riemen, sondern mit Skulls – also mit Paddeln auf beiden Seiten – gerudert wurde. Doch das war natürlich nicht wichtig. Wichtig war: Die einstündige Schnuppereinheit machte allen Spaß – Anfängern wie Fortgeschrittenen. Und sie war ein guter Einstieg in einen lockeren Abend bei kühlen Getränken und Herzhaftem vom Grill.
Wieder hatte der RC Nassovia Höchst für ein tolles Ambiente gesorgt, wieder waren neben Gelsen weitere Ruderer dabei. So entwickelte sich ein lebhafter Austausch. Über die Vereinbarkeit von Beruf/Ausbildung und Leistungssport. Über die aktuellen Debatten zur Zukunft des deutschen Fördersystems. Oder über den Einstieg in eine Sportart, die in Deutschland ein Schattendasein fristet. Die meisten beginnen mit 13/14 Jahren, also im Vergleich zu anderen Sportarten sehr spät.
Gelsen saß im Jahr 2014 erstmals im Boot, heute trainiert er zweimal pro Tag und wird von der Stiftung Deutsche Sporthilfe gefördert. Der immense Aufwand zahlte sich bei der U23-Weltmeisterschaft aus. Nach 500 Metern hatte Gelsen als Dritter bereits drei Sekunden Rückstand auf Platz eins, ehe er eine beeindruckende Aufholjagd startete. Die Journalisten staunten nicht schlecht, als sie sich das 2000-Meter-Rennen im Re-Live anschauten. Und sahen, wie Gelsen bei hohem Tempo harmonisch durch das Wasser gleitete. „So ähnlich sah das bei uns auch aus“, scherzte Ralf Weitbrecht, zweiter Vorsitzender des Vereins Frankfurter Sportpresse. Seit vielen Jahren ist für ihn das jährliche Rudern ein Pflichttermin. Genauso wie das anschließende Grillfest. „Wir fühlen uns hier sehr wohl und kommen gerne wieder“, sagte der Sportredakteur der F.A.Z. Und sprach das aus, was sich die anderen Gäste wohl dachten. Es war ein kurzweiliger, unterhaltsamer Abend. In weltmeisterlichem Ambiente.
Daniel Seehuber
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