Am Sonntag hat der Usinger Tim Pütz die deutsche Tennis-Nation begeistert, als er zusammen mit seinem Partner Kevin Krawietz in Mostar gegen die Auswahl von Bosnien und Herzogewina mit einem 6:4 und 6:2 im Eröffnungs-Doppel gegen Damir Dzumhur und den ehemaligen Bad Homburger Mirza Basic für die 1:0-Führung des DTB-Teams sorgte.
Durch den 4:0-Erfolg in diesem Relegations-Match hat sich Deutschland einen Platz bei den Qualifiers 2024 gesichert und den Abstieg aus der Weltgruppe I des Daviscups verhindert.
Wenige Tage später stand der 35-jährige Usinger abermals im Mittelpunkt und bewies einmal mehr sehr eindrucksvoll, dass er auch in Sachen gepflegte Unterhaltung zu den sympathischsten deutschen Spitzensportlern gehört.
Eingeladen worden war die aktuelle Nummer 23 der ATP-Weltrangliste vom Verein Frankfurter Sportpresse, der sich im Restaurant des FTC Palmengarten Frankfurt am Berkersheimer Weg zum siebten Gedankenaustausch mit dem Tennis-Bezirk Frankfurt getroffen hatte. Das erste Treffen zu dieser Thematik hatte im Jahr 2015 stattgefunden.
„Tennisoffensive Frankfurt – Blick zurück, Blick nach vorn“ war das Motto beim aktuellen Informationsabend, bei dem es auch um die Entwicklung des Tennissports in der Stadt Frankfurt ging, die in den nächsten sieben Jahren einen deutlichen Anstieg der Bevölkerung erwartet und deshalb perspektivisch dringend weitere Anlagen benötigt.
Thomas Klemm, Spezialist für Tennis in der Sportredaktion der FAZ, plauderte im Rahmen dieser Veranstaltung fast eine Stunde lang mit dem gebürtigen „Frankfurter Bub“, wie er vom Bezirks-Vorsitzendem Reimund Bucher begrüßt wurde. Völlig zu Recht, denn Pütz hat bekanntlich am 19. November 1987 in der Main-Metropole das Licht der Welt erblickt.
Vor den knapp drei Dutzend Funktionären und Journalisten plauderte Pütz im lockeren Gespräch mit Klemm aus dem Nähkästchen und gewährte einen Blick hinter die Kulissen eines professionellen Globetrotters, für den Erfolge wie der Grand-Slam-Sieg von Paris im Mixed Anfang Juni dieses Jahres oder die zum Teil exorbitanten Preisgelder für die Super-Stars der Kategorie Djokovic, Nadal, Alcaraz oder Zverev nur eine Seite der Medaille sind.
„Klar wäre ich lieber ein erfolgreicher Einzelspieler, aber als Doppelspezialist hat man auch seine Vorteile“, verwies Pütz auf die wirtschaftliche Seite, die als 35 Jahre alter Familienvater mit zwei Kindern einen hohen Stellenwert besitzt. Dass er keine bundesweite Berühmtheit erlangt hat, sondern sich auch im Usinger Land und in Frankfurt noch relativ unbehelligt bewegen kann, sieht er als großen Vorteil an.
Von seiner Körpersprache und Ausstrahlung her dokumentierte Tim Pütz zu jedem Zeitpunkt, dass er durch seinen Sport ein glücklicher und zufriedener Mensch ist. „Das Studium in den USA mit einem Tennis-Stipendium hat mir gutgetan – aber so weit entfernt vom Elternhaus muss das nicht für jeden anderen auch gelten“, profitiert er seiner Meinung nach von seinem Bachelor-Abschluss in Volkwirtschaftslehre an der Aubun University in Alabama bis auf den heutigen Tag in punkto Englisch-Kenntnisse und Lockerheit.
„Ich habe eine völlig untypische Karriere durchlaufen und selbst nie eine Förderung durch den HTV erfahren“, sagt Pütz und ist der lebende Beweis dafür, dass man es vom Tenniskreis Hochtaunus/Wetterau aus durchaus bis in die Weltspitze schaffen kann. Pütz unter dem Gelächter des Publikums: „Ich bin im Rückblick froh, dass ich nicht nach Offenbach fahren musste!“ (Anm. d. Rd.; dort befindet sich auf der Rosenhöhe das Landesleistungszentrum des Hessischen Tennis-Verbands).
Auf diesen individuellen Ausbildungsweg ohne Förderung seitens der Landesverbände blicken übrigens nahezu alle Mitglieder im aktuellen deutschen Daviscup-Kader zurück. Pütz verweist auf die zentralen Nachwuchszentren in Frankreich und England, konnte jedoch keine Antwort auf die Frage geben, was denn nun der bessere Weg der Talenteförderung sei.
Der sportliche Weg, den der Rechtshänder ab sofort beschreiten wird, ist klar vorgegeben. Am kommenden Montag fliegt er nach China, wo er bei einem ATP-Turnier abermals mit Kevin Krawietz am Start ist, an dessen Seite er inzwischen neun seiner 14 Doppel-Erfolge im Daviscup gefeiert hat. „Je weiter wir von zu Hause weg sind, desto häufiger sind wir zusammen“, hat sich Pütz schon auf weitere intensive Tage mit Kevin eingestellt. In diesen Tagen vermisst er die in Usingen lebende Familie ganz besonders stark: „Mein zweieinhalbjähriger Sohn fragt inzwischen schon nach, wieso der Paps so oft weg ist."
Große Unterstützung erhält Tim von seiner Frau, die ihn kennengelernt hat, als er bereits mit Tennisspielen auf internationalen Turnieren sein Geld verdient hat.
„Maximal 21 Wochen im Jahr auf der Tour“ lautet die familiäre Vereinbarung im Hause Pütz, denn der Vater will seine Kinder schließlich aufwachsen sehen. „Zur Zeit bin ich nämlich 50 Prozent meiner Zeit nicht zu Hause in Usingen.“ Zum Vergleich: Die Top-Stars der Szene befinden sich jährlich 35 Wochen und mehr auf der (ATP-)Tour.
„Das entscheiden wir Jahr für Jahr“, beantwortet der Bruder von Tom Pütz die Frage nach dem Ende seiner Karriere. 2024 wird er auf jeden Fall weitermachen, den die Olympischen Spiele in Paris, für die er im A-Kader nominiert ist, sind noch ein ganz großes Ziel – und möglicherweise eine der letzten Etappen einer Karriere, die inzwischen schon fast sein halbes Leben lang dauert. Tim Pütz zum Abschluss des kurzweiligen Gesprächs: „Ich wünsche mir, dass ich gesund bleibe, noch ein, zwei gute Jahre vor mir habe und selbst entscheiden kann, wann ich aufhöre.“
Gerhard Strohmann
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