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Macher und Chronist Olympischer Spiele - Dieter Kühnle 80 Jahre alt

jochenguenther



Welcher Sportjournalist kann schon darauf zurückblicken, einen ehemaligen Bundesverteidigungsminister in Bedrängnis gebracht zu haben. Dieter Kühnle war es, der die Opposition gegen Rudolf Scharping als Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) anführte.


Kühnle verstand sich, ob in seiner Eigenschaft als Chefredakteur des Sport-Informations-Dienstes (sid) oder später als Vizepräsident des BDR als Macher. Er begnügte sich nicht mit der Rolle des Beobachters, er wollte auch gestalten. Wird man sonst, nach 19 Jahren sid, davon 16 Jahre als Chef, Vizepräsident des BDR? Es blieb nur ein Intermezzo, weil Kühnle, dort zuständig für Kommunikation und Marketing, 2007 seinen Rücktritt erklärte. Die mehrheitliche Entscheidung seiner Präsidiumskollegen, den geständigen Dopingsünder Erik Zabel für die WM in Stuttgart zu nominieren, lehnte Kühnle entschieden ab.


Radfahren, Formel 1, Leichtathletik (in jungen Jahren war Kühnle Zehnkämpfer) blieben seine zentralen Themen in der Neusser Zentrale des sid. An Olympischen Spielen als friedenstiftender Idee hält er fest, zuletzt bestärkt durch den Besuch der Spiele in Paris, wo eine Erkältung zum Spielverderber wurde. Er hat im Alter Nehmerqualitäten entwickeln müssen.


Nach der Kündigung beim sid im Alter von 44 Jahren heuerte er, längst in Hessen heimisch, bei einer Unternehmungsberatung in Bad Homburg an. Aber da hat er nicht am großen Rad der Sportpolitik drehen können wie einst hinter den Kulissen. Kühnle hätte das große Los eines Beraters für die Kandidatur Hamburgs als Ausrichter Olympischer Spiele an der Elbe werden können, aber daraus wurde bekanntlich nichts. Als Zeitzeuge ist er 50 Jahre nach den Olympischen Spielen nochmal gefragt gewesen, wie es denn damals war im Sommer 1972, als der Terrorismus München heimsuchte.


Über Jahrzehnte hinweg ist Kühnle zum Chronist Olympischer Spiele geworden. Über die „Moskauer Spiele“ hat Kühnle ein Buch veröffentlicht, dessen Untertitel „Olympia im Zwielicht“ heute als aktuelle Zustandsbeschreibung gelten mag. Kühnle würde widersprechen. Die Gastgeber Lillehammer, London und Paris bleiben für ihn olympische Glanzlichter. Und das Olympische Feuer hat er vererbt. Tochter Clara, die ihr Stipendium an amerikanischen Colleges ihrer Begabung im Tennis zu verdanken hat, absolviert momentan ein Praktikum in der Zentrale des Internationalen Olympischen Komitees in Lausanne. Bruder Carlos ist bekennender Fan der Frankfurter Eintracht. Hauptsache Sport.


Am Montag, 10. März, ist Dieter Kühnle 80 Jahre alt geworden. Noch ist der Hometrainer sein bevorzugtes Sportgerät. Aber wenn Kondition und Witterung es zulassen, will er wieder hinaus aufs Rennrad.


Hans-Joachim Leyenberg    


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