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Keine Schals bei der Hymne - Beobachtungen rund um das Geisterspiel der Eintracht gegen Gladbach



Fußball ohne Zuschauer - neuer Alltag in der Bundesliga. Foto Jan Hübner

Gewissermaßen beginnt meine Vorbereitung auf das Geisterspiel zwischen Eintracht Frankfurt und Borussia Mönchengladbach schon am Donnerstagvormittag um 10.30 Uhr. Ich pilgere zum Nachwuchsleistungszentrum der Eintracht, wo der Klub im Rahmen einer Corona-Mitarbeitertestung den akkreditierten schreibenden Journalisten ebenfalls die Möglichkeit bietet, sich testen zu lassen. „Bist du auch hier, um dir die Bescheinigung für zwei Wochen Quarantäne abzuholen?“, rufe ich FFH-Reporterin Sonja Pahl zu, die ein paar Meter vor mir in der Schlange steht. Ein bisschen Spaß muss auch in ernsten Zeiten sein. Der Empfang an der Freiluft-Teststation im Riederwald-Stadion ist überaus freundlich, der Abstrich in Mund und Nase ebenso schnell erledigt wie die Blutabnahme für den Antikörpertest. Anschließend ist zu meinem Vergnügen für ein paar Minuten alles wie früher: Im Plausch mit den Kollegen wird wie zu besten Zeiten am Trainingsplatz gelästert und gescherzt. „Auf der Pressekonferenz am Freitag frage ich Adi Hütter, ob Kevin Trapp im Tor steht“, witzelt ein Kollege in Anlehnung an die inhaltlich oft eher mauen PKs mit dem Frankfurter Trainer.



Kein Einlass ohne Temperaturmessung Foto Jan Hübner

Natürlich wird die Frage tags darauf nicht gestellt. Die Süffisanz ließe sich in einer per Live-Chat durchgeführten Video-Pressekonferenz auch nicht gut rüberbringen. Schon am Donnerstagabend folgt per Telefonanruf die kleine Erleichterung: Der Corona-Test fällt wie erwartet negativ aus. Ein Glück, zwei Wochen Quarantäne hätten mir kurz vor einem lange geplanten Umzug gerade noch gefehlt… Mit größerer Spannung erwarte ich nun das Ergebnis des Antikörpertests, das zu Wochenbeginn vorliegen soll. Mit Erkältungen habe ich mich von Februar bis April genug herumgeschlagen, war da vielleicht Corona dabei, sodass ich jetzt immun bin? Ehrlicherweise ist das nicht sehr wahrscheinlich, aber man weiß ja nie…

Am Samstag bin ich froh, dass ich endlich wieder Stadionluft schnuppern darf.



Standard für die nächste Zeit: Auch für Sportvorstand Fredi Bobic geht es nicht ohne Maske Foto Jan Hübner

Etwas überspitzt lässt sich sagen: Geisterspielerfahrung habe ich früher am Bornheimer Hang bei schlecht besuchten Heimspielen des FSV Frankfurt schon reichlich gesammelt. Spaß beiseite, ohne die Emotionen auf den Rängen macht die Arbeit in der Arena auch als Reporter weitaus weniger Freude. Schon das Geisterspiel gegen den FC Basel war eine merkwürdige Erfahrung. Allerdings überwiegt bei mir persönlich die Freude, dass es überhaupt wieder losgeht und es endlich wieder ein Spiel zu analysieren gibt. Was mir allerdings noch immer Rätsel aufgibt: Für wen wird vor dem Anpfiff die Vereinshymne „Im Herzen von Europa“ abgespielt? Ich sehe jedenfalls niemanden, der einen Schal hochhält.

Über das Spiel selbst wird an anderen Stellen schon genug geschrieben, ich belasse es deshalb bei der Bemerkung, dass die Eintracht in der Anfangsphase so auftritt, als hätte die Aussicht auf ein Geisterspiel bei einigen Kickern die Furcht vor Gespenstern geweckt…



Tore fallen auch - zumeist auf Frankfurter Seite Foto Jan Hübner

Während die Mannschaft also so spielt wie vor der Corona-Pause, hat sich für uns Journalisten rund um die 90 Minuten schon einiges geändert. Angefangen bei der sekundenschnellen Temperaturmessung im Ohr auf einem Parkplatz in Stadionnähe vor der Aushändigung der Akkreditierung. Zusätzlich verteilt werden kleine Transponder, die rot leuchten und piepen, wenn man jemandem näher als 1,5 Meter kommt. Oben auf der Pressetribüne piept es fast ständig irgendwo, obwohl alle Vorsicht walten lassen und Schutzmasken tragen. Größtes Ärgernis aus journalistischer Sicht ist die geschlossene Mixed Zone. Gerade nach Niederlagen drängen sich viele Fragen auf, die nun ungestellt bleiben, weil es – aus nachvollziehbaren Gründen – keine Möglichkeit gibt, den Profis nach dem Spiel gegenüberzutreten. Per Whatsapp können lediglich Fragen an den Trainer eingesendet werden, die dieser von Eintracht-Pressesprecher Marc Hindelang in der live übertragenen Pressekonferenz gestellt bekommt. Es gibt keine Möglichkeit nachzuhaken, was aus Reportersicht natürlich unbefriedigend ist. Aber diese Kröte gilt es in diesen schwierigen Zeiten zu schlucken, Vorwürfe an den Klub wären unangebracht.



Die neue Arbeitswelt der wenigen zugelassenen Printjournalisten Foto Jan Hübner

Dass ich nach dem Schlusspfiff nicht in die Mixed Zone eilen muss, freut zumindest die Kollegen vom japanischen Fernsehen. Zwei in Deutschland lebende japanische Journalisten hatten mich vorab kontaktiert und gefragt, ob ich nach dem Spiel für Interviews zum Re-Start der Bundesliga zur Verfügung stehe. Also befestige ich mein Handy an einem Einbeinstativ und lasse mich zuschalten, die Fragen aus den beiden TV-Studios in Japan werden zum Glück auf Deutsch übersetzt. Eine Stunde später sitze ich im Auto, hole mir auf dem Heimweg Burger mit Pommes und schaue die Aufzeichnung der Sportschau – man könnte sagen: Da war fast wieder alles beim Alten.

Julian Franzke



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