Walther Tröger hat von oben gewiss zugesehen und zugehört, als im Eintracht-Museum im Deutsche Bank-Park in Frankfurt von und über ihn gesprochen wurde. Und er hat nach dem Abend, als einer illustren Gästeschar das zu seinem Gedenken herausgegebene Buch „Die sportlichen heiteren und politisch gescheiterten Olympischen Spiele München ´72“ vorgestellt wurde und dazu Autorinnen und Autoren zu Wort kamen, bestimmt gesagt: „Das haben die gut gemacht!“
Eingeladen hatten der Leiter des Eintracht-Museums, Matthias Thoma, und die Vorsitzende des Vereins Frankfurter Sportpresse, Martina Knief. Moderiert wurde der Abend von dem Initiator der Veranstaltung, Albert Mehl, und das Herausgeber-Trio des Werkes, Detlef Kuhlmann, Harald Pieper und Ulrich Schulze Forsthövel, forderte auf zu einem Streifzug durch das Buch und damit zu einem Streifzug durch das Leben und Wirken Walther Trögers als NOK-Präsident, IOC-Sportdirektor, Bürgermeister des Olympischen Dorfes 1972 und, und, und…
Warum dieses Buch, wie ist es entstanden, und warum erschien es erst nach dem 50. Jahrestag der Spiele von München? Detlef Kuhlmann schilderte das Treffen der drei Herausgeber mit Walther Tröger im Lindner-Hotel in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise, als sie den schon hochbetagten Macher des Sports in ihr Buchvorhaben einweihten. Seine Reaktion: „Ja, wenn ihr meint und das unbedingt wollt.“ Es sollte – so Kuhlmann – keine Biographie, sondern ein Buch für ihn und mit ihm werden. Aber wesentlich geprägt von einem Gesamtrahmen rund um das inzwischen historische Ereignis „München ´72“, das schließlich viel mit seiner persönlichen olympischen Lebensleistung zu tun hat.
Als sich die Herausgeber am 14. September 2020 von Walther Tröger verabschiedeten, ahnte keiner, dass sie sich in dieser Runde mit ihm nicht mehr treffen würden. Verstorben ist er am 30. Dezember desselben Jahres. Kuhlmann: „Wir mussten alles neu überdenken, Aber für uns war klar, dass wir nicht aufgeben, sondern das Buch in Walthers Sinne herausbringen und damit auch den Spielen von München noch einmal eine späte Aufmerksamkeit schenken.“
Jetzt haben wir das Buch in der Hand. Und über das Lesen hinaus, wurde es an diesem denkwürdigen Abend im Eintracht-Museum lebendig. Albert Mehl erklärte, dass Marika Kilius nicht extra nach Frankfurt reiste, um ihren Beitrag vorzulesen. Das erledigte der Moderator, und auch wenn die Eiskunstlauf-Königin von einst nicht anwesend war, gingen die Worte unter die Haut: Hier ein Auszug:
Walther Tröger war mein Equipe-Chef bei den Olympischen Winterspielen 1964 in Innsbruck. Von diesem Zeitpunkt an war er der Sportbegleiter meines Lebens schlechthin. Von da an verband uns ein Leben lang eine wunderbare Freundschaft. Ich durfte tolle Zeiten erleben mit ihm und auch mit seiner Frau Almut. Die Verbindung ist nie abgerissen, auch zu der Zeit, als ich mit Holiday on Ice unterwegs war. Walther hatte immer das Wohl der Sportler im Auge. Wir konnten ihn zu jeder Zeit alles fragen. Er hatte viele Kontakte, wusste immer zu helfen, so als hätte er ein Adressbuch im Kopf. Er war eine bedeutende Persönlichkeit. Seine Menschlichkeit zeichnete ihn besonders aus. Menschlichkeit, die heute leider immer weniger gezeigt wird, in einer Zeit, in der auch im Sport für viele der persönliche Egoismus die größte Rolle spielt.“
Ähnlich eindrucksvoll waren die Worte der Dressur-Olympiasiegerin mit der Mannschaft 1988 in Seoul, Ann-Kathrin Linsenhoff, im Interview mit Albert Mehl, als sie berichtete, dass Walther Tröger, den sie „Mein Kamerad“ nennt, eine generationenübergreifende Bedeutung hat: „So begleitete er meine Mutter 1972 bei den Olympischen Spielen in München und mich 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul.“
Dann wurde München ´72 anschaulich lebendig. Walther Trögers Sohn Wolfram übergab Museumsleiter Thoma leihweise die Bürgermeisterkette vom Olympischen Dorf in München, die einst der Deutsche Schützenbund hat herstellen lassen. Wolfram Tröger schilderte, wie er als kleiner Junge das Attentat im olympischen Dorf aus dem Fenster blickend erlebt hat, „mit der Angst, wie geht das aus, und was passiert mit meinem Vater“.
Den Schlusspunkt setzte die frühere Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth, die schilderte, wie sie Walther Tröger, der in Hessen in frühen Jahren als Basketball-Funktionär aktiv und lange Mitglied der Leichtathletik-Abteilung der Frankfurter Eintracht war, kennenlernte: 1981 bei einem Frühschoppen im Garten des früheren Frankfurter Sportdezernenten Peter Rhein. Petra Roth: „Eine Begegnung, die der Beginn einer langjährigen Freundschaft und eines engen Miteinanders war, die meine sportliche Arbeit für die nächsten Jahrzehnte befruchtet und geprägt hat.“ Walther Tröger habe sie beim Erreichen ihres großen Ziels unterstützt: „Den Sport aus dem Hinterzimmer herausbringen und auf die Ebene der Stadtkultur zu hieven. Dort, wo er auch hingehört.“
Am Ende sollte eigentlich Torsten Burmester, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), den Interview-Reigen abschließen, doch der konnte wegen des Bahnstreiks nicht rechtzeitig kommen. Der DOSB – das räumte Burmester in seiner Nachricht an Albert Mehl ein – habe Trögers Ableben nicht so gewürdigt, wie der es eigentlich verdient hätte. Aber das soll noch nachgeholt werden.
Walter Mirwald
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